(erweiterter Auszug aus:  Tatjana Reichhart und Claudia Pusch: Selbstbestimmt. Wie wir mit Erwartungen umgehen und ein authentisches Leben führen“ (2022, Kösel Verlag).

Im Folgenden stelle ich Ihnen eine neue Übung von mir vor, um sich der Frage nach den eigenen Werten zu nähern, die erstmals in unserem Ratgeber „Selbstbestimmt“ 2022 veröffentlicht worden ist.

Kennen Sie Menschen, die oft davon erzählen, was Sie alles machen wollen, es aber nie tun? Diese Menschen leben nur „theoretisch“ ihren Traum (oder Ihr Leben) und verschieben ihre Vorhaben immer wieder in die Zukunft. Oftmals finden sich die unerfüllten, aber schon mal theoretisch angedachten Träume im Speicher, im Keller oder in der Garage: die Spiegelreflexkamera, die für die große Weltreise steht; das Surfbrett, dass das Gefühl von Jugend erhalten soll oder der SUV in der Innerstadt-Tiefgarage, der Ausdruck des „theoretischen“ Wunsches nach mehr Freiheit oder Naturverbundenheit ist. Aber theoretische Selbstbestimmung, theoretische Werte, ein theoretisches Verwirklichen des eigenen Lebensentwurfes bleiben halt irgendwo zwischen Ausreden und dem eigenen Tod stecken.

Machen Sie doch mal eine Inventur Ihrer Sehnsuchts-Gegenstände. Gehen Sie durch Ihren Keller, den Speicher, die Abstellkammer, durchkämmen Sie Safes oder das angemietete Self-Storage: Was finden Sie dort? Welche Träume liegen da brach? Was war der Grund, weshalb Sie diese Gegenstände angeschafft und vor allem weshalb Sie sie behalten haben? Was assoziieren Sie mit dem Snowboard, das seit 5 Jahren ungenutzt in der hintersten Ecke steht oder mit der Uhr im Safe? Welche Bedeutung hatte oder hat das, was Sie in den Kisten finden, die Sie seit Jahren nicht genau angesehen haben? Was sagen diese Objekte darüber aus, was Ihnen wichtig ist? Welche Werte repräsentieren sie? Vor allem die ideellen Werte? Wieso liegen diese Gegenstände in der hintersten Ecke des Schrankes oder unter 10 Kisten auf dem Dachboden mit bereits modrigem Geruch? Warum haben Sie sie nicht längst schon entsorgt oder verschenkt?  Vielleicht weil Sie sie an wichtige Ereignisse in Ihrem Leben erinnern, oder weil sie Wünsche und Ideen repräsentieren, um deren Umsetzung Sie sich noch kümmern wollten.

In einer Inventur (die nicht alles im Speicher und Keller erfassen muss, aber vor allem einige Dinge, die Sie schon lange nicht mehr genutzt haben) schreiben Sie nun auf, was Sie konkret mit dem Gegenstand assoziieren, welche Bedeutung er für Sie hat, weshalb Sie ihn gekauft haben und weshalb er noch da ist. Welchen Wert repräsentiert er? Vielleicht bemerken Sie auch, dass manche Dinge nicht mehr zu Ihnen, Ihrem Leben und auch Ihren Werten passen. Sie haben sich verändert. Vor allem markieren Sie bitte, welche Sehnsüchte Sie reaktivieren und umsetzen wollen. Passen Sie zu Ihrem Lebensstern Soll-Zustand und Ihrem Selbstbestimmungs-Projekt oder sollten Sie da nochmal nachjustieren?

GegenstandBedeutung / Wert dahinterWegwerfen oder reaktivieren?
 „Rennrad“   „Surfbrett“„Fitness, Freiheit, Naturverbundenheit“ „Wollte ich immer mal lernen: Jugendlichkeit, Attraktivität, Reisen“„Reaktivieren“   „Wegwerfen: Ich werde das nie machen und es passt jetzt auch nicht mehr. Dafür fahre ich wieder Rennrad.“
 „Picknickkoffer“       „Gucci -Handtasche“„Freundschaften, Selbstfürsorge, da Zeit für mich, und Entspannung“   „Erfolg, Karriere, es geschafft haben, Geld.“Reaktivieren     Behalte ich als Erinnerung, ich trage sie nie. Wichtiger als Prestige ist mir etwas Gutes zu schaffen, was Bestand hat.  “

Um Ihnen nun den  letzten Schliff Ihrer wesentlichen Werte zu geben, stellen wir Ihnen noch ein paar Fragen:

Wofür möchten Sie stehen? Wofür stehen Sie (ein)?

Wofür lohnt es sich Ihrer Meinung nach zu kämpfen?

Wenn Sie ein ‚Leitbild‘ für Ihr Leben formulieren sollten, was würden Sie dann schreiben?[1] Wenn ich Ihre engsten Freunde bitten würde, mir zu erzählen, wofür Sie leben und was Ihnen am meisten bedeutet, was glauben Sie, würden sie mir sagen?[2]

Welche Augenblicke in Ihrem Leben möchten Sie einrahmen, weil sie so schön waren? Was macht diese Momente aus und was haben Sie gemeinsam?

Fassen Sie nun für sich zusammen, was Ihre Haupt-Werte sind und notieren sie auf Karten oder in einem Journal. Gerade in stressigen Zeiten, werden sie Ihnen helfen, eine für Sie stimmige Priorisierung vorzunehmen und nicht jedes Mal neu entscheiden zu müssen, wozu sie „nein“ bzw. „ja“ sagen.


[1] Miller W.R. & Rollnick, S. (2015). Motivierende Gesprächsführung. Motivational Interviewing. Freiburg im Breisgau: Lambertus. S. 110

[2] Miller W.R. & Rollnick, S. (2015). Motivierende Gesprächsführung. Motivational Interviewing. Freiburg im Breisgau: Lambertus. S. 101

Comments are closed.